Auch wenn es oft so ausschaut: aber nicht alle Rindfleischzuschnitte kommen aus den USA. Auch die Franzosen und Engländer haben sich im Laufe der Jahrhunderte um die sinnvolle Zerlegung der Huftiere sehr verdient gemacht. Und auch der deutschsprachige Raum hat einige Teilstücke populär gemacht. Unter anderem das Bürgermeisterstück.
Das ist ein dreieckiges Stück schieres Muskelfleisch, das in der Keule zwischen Hüfte und Kugel sitzt. Meist hat es eine aufliegende Fettschicht, weshalb es leicht mit dem Hüftdeckel, dem Tafelspitz zu verwechseln ist. Allerdings ist der im besten Fall schön marmorierte „Bürgermeister“ sehr viel zarter als der Tafelspitz. Und genau das hat ihm auch zu seinem Namen verholfen, wobei man es aus denselben Gründen mitunter auch Pastorenstück nennt. Denn es ist ein Zuschnitt, der ein wirklich gutes Bratenstück abgibt, ohne dass man ihn über viele Stunden schmoren muss. Deshalb war dieses Stück früher eben Würdenträgern wie Bürgermeistern oder Pastoren vorbehalten.
Vom „Abfall“ zum Tri-Tip
In heutigen Grillrezepten findest Du vielfach den Begriff Tri Tip. Der meint das Bürgermeisterstück, wobei die vollständige Bezeichnung Tri Tip Steak erahnen lässt, dass die US-Sichtweise auf diesen Cut womöglich eine andere ist als die deutsche. Tatsächlich fand nämlich bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts dieser Muskel praktisch nur als Hackfleisch statt. Das mag auch daran liegen, dass in vielen Teilen der USA Fleisch, das man erst über einen langen Zeitraum schmoren muss, um es essbar zu machen, als nicht besonders hochwertig galt.
Wie es dann zur Entdeckung des damals noch „triangle part“ genannten Stücks als Steak und zu dem Namen Tri Tip kam, ist umstritten. Die am häufigsten kolportierte Geschichte handelt von Bob Schultz, dem Chef eines Supermarktes in Santa Maria, Kalifornien. Er soll dem Problem, dass er zu viel Hackfleisch und zu wenig Steaks für den Verkauf hatte, damit beigekommen sein, dass er ein Bürgermeisterstück mit Salz, Pfeffer und Knoblauchpulver gewürzt und dann am Spieß gegrillt habe. Entgegen aller Skepsis und Warnungen seines Metzgers war das Ergebnis so gut, dass Schultz sich entschlossen habe, das Stück unter dem Namen Tri Tip (drei Spitzen) Steak zu verkaufen.
Gesichert ist, dass das Tri Tip Ende der 50er in Santa Maria sehr populär und dann allmählich auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannter wurde. Wenn Du heute nach einem passenden Rub für Tri Tip suchst, dann spuckt Google als Klassiker darum auch das Santa Maria Rub aus, das in seiner einfachsten Form aus Salz, Pfeffer, Knoblauch und einem Hauch Chili besteht.
Willst Du Tri Tip grillen, stehen Dir so ziemlich alle Varianten offen, die es gibt. Bei der Zubereitung am Spieß besteht die Kunst darin, dieses doch etwas ungleichmäßige Stück so zu montieren, dass es gleichmäßig gar wird. Etwas einfacher klappt das beim indirekten Grillen, eine ebenfalls sehr klassische Art, das Bürgermeisterstück zuzubereiten. Hier kannst du dann einfach die Spitze möglichst weit entfernt von der direkten Hitze platzieren und das Fleisch insgesamt bis auf eine Kerntemperatur von 57 – 60°C garen.
Als Braten sollte es im besten Fall nicht zu „rare“ sein. Du kannst ein Tri Tip auch im Vorfeld zu Steaks aufschneiden und diese dann direkt grillen. Hier allerdings kann es passieren, dass die dann noch Biss haben. Denn das Bürgermeisterstück ist zwar zart, aber auch kein Filet. Eine etwas längere Garzeit schadet also nicht.
Deshalb lässt sich das Stück auch hervorragend im Sous Vide Bad vorgaren, was sicherlich die komfortabelste Art der Zubereitung ist. Aber auch die Variante „Schmorbraten“ im Dutch Oven hat ihren Reiz, weil Du, wie schon erwähnt, keine ewig langen Garzeiten kalkulieren musst.
Eine weitere Option besteht darin, dass Bürgermeisterstück zu smoken. Und das ist durchaus spannend, weil Du so kräftigen Rindfleischgeschmack mit Raucharoma kombinieren kannst, aber trotzdem ein recht festes, saftiges Fleisch behältst, das ein deutlich anderes Mundgefühl bietet als zum Beispiel Brisket oder Short Ribs; zwei Cuts, die vor allem aufgrund ihrer Konsistenz nicht jedem zusagen. Und dann gibt es neben dem Aussehen doch noch eine Parallele zum Tafelspitz: Auch das Tri Tip lässt sich nämlich zu Pastrami verarbeiten. Das ist zwar nicht unbedingt das gängigste Stück für dieses besondere Rauchfleisch, trotzdem findest Du zahlreiche Rezepte.
Eine Zubereitung fehlt aber noch: Immerhin haben die US-Metzger das Stück ja früher auch zu Hackfleisch verarbeitet. Und das kannst du natürlich auch heute auch so machen. Das Bürgermeisterstück liefert ein geniales Hack für Burger, die die schöne Aromatik des Fleisches natürlich behalten. Dabei passt in der Regel auch der Preis, weil es Bürgermeisterstücke praktisch von jedem Rind gibt.
Und wenn wir schon beim „Kleinmachen“ sind: Auch Pulled Beef aus dem Tri Tip ist einen Versuch wert. Allerdings gilt auch hier (wie eigentlich immer), dass die Qualität dann am besten ist, wenn das Tri Tip von einer Fleischrindrasse aus guter Haltung kommt. Dann ist nämlich der Fettgehalt hoch genug, um alle diese Gerichte auch wirklich gut gelingen zu lassen. Kleiner Tipp: Den Fettdeckel kannst du wie Beim Roastbeef auch herunterparieren, wahlweise auslassen oder beim Wolfen je nach gewünschtem Fettgehalt mit einarbeiten. Beim Garen am Stück kann er dann aber einfach auch als Deckel lose auf dem Fleisch liegen bleiben.
Wenn Du deinen Metzger nach Tri Tip fragst, kann es passieren, dass du auf ein fragendes Gesicht stößt. Allerdings sollte er mit der Bezeichnung „Bürgermeisterstück“ dann doch etwas anfangen können. Er mag das vielleicht nicht standardmäßig im Sortiment haben, aber es sollte für ihn auch nicht allzu schwer sein, ein Stück zu beschaffen. Am Ende des Tages habt Ihr dann beide etwas davon. Denn das Tri Tip ist geschmacklich mit einem kräftigen, aber nicht penetranten Rindfleischaroma einer der tollsten Cuts, die so ein Tier zu bieten hat. Und aufgrund seiner vielfältigen Zubereitungsmöglichkeiten ist es zudem ein Teilstück, das für viel Abwechslung auf dem Grill sorgen kann.
Grillen und Fleisch gehört unbedingt zusammen. Ob Rindfleisch, Schweinefleisch, Wild oder Geflügel – so ziemlich jedes Fleisch lässt sich auf dem Grill hervorragend zubereiten.