Wenn Dir jemand etwas vom Money Muscle erzählt, dann darfst Du ruhig irritiert gucken. Wahrscheinlich hast Du noch nie davon gehört. Wie auch. Dieser Schweinefleisch-Zuschnitt hat in Deutschland keine Entsprechung, sondern ist eine „Erfindung“ von US-amerikanischen Wettbewerbsgrillern. Es ist der Teil des Schweinenackens, der besonders zart und saftig bleibt und von dem die Griller und Grillerinnen hoffen, dass er die Juroren überzeugt und zum oft gut dotierten Sieg verhilft.
Allerdings ist es aus amerikanischer Sicht nicht ganz korrekt, den Money Muscle im Nacken zu suchen. Denn der klassische Nacken, so wie wir ihn in Deutschland kennen, wird auf der anderen Seite des großen Teiches selten auf den Smoker gelegt.
Der Cut, der dort Verwendung findet, nennt sich Boston Butt. Er ist viel größer als der Nacken, was daran liegt, dass er viel weiter nach unten geht und Teile dessen beinhaltet, was bei uns die Schweineschulter ist. Dafür ist er nach oben von eben jenem ominösen Money Muscle begrenzt, nimmt also weniger
von dem mit, was hierzulande als Nacken verkauft wird. Der aromatische Muskel ist also in den USA immer essentieller Teil des so genannten Porks im „Competition Style“, vor allem nach dem Regelwerk der Kansas City Barbecue Association (KCBS). Als alleinigen Cut zum Grillen bekommst Du ihn eher selten. Wobei er im Prinzip auch in dem Schweinenackenzuschnitt zu finden ist, der üblicherweise in unseren Schlachthöfen ausgelöst wird. Nur macht sich eben kaum jemand die Mühe, einen Nacken weiter zu zerlegen. Dabei lohnt sich das durchaus, denn es gibt hier noch ein weiteres spannendes Stück.
Auch in Spanien wird ein Schwein anders zerlegt als bei uns. Das fördert unter anderem solche Delikatessen wie Secreto oder Pluma zutage, aber auch ein Stück Namens Presa. Das Presa wird auch als Herz des Nackens oder Nackenkern bezeichnet wird. Wörtlich übersetzt bedeutet Presa Jagdbeute, aber auch Damm.
Eigentlich kommt es in Spanien vom Iberico; Spitzenköche wie Ferran Adria oder Juan Amador haben dem Cut zu einer gewissen Bekanntheit auch über die Grenzen der iberischen Halbinsel hinaus verholfen. Das Presa zeichnet sich durch eine ausgemachte Marmorierung aus und lebt aromatisch von seinem hohen Fettgehalt. Und letztlich macht natürlich auch die Eichelmast sowie die besondere Fettkonsistenz der Iberico-Schweine das „echte“ Presa aus.
Allerdings ist auch das kein Cut, den Du in jeder Metzgerei bekommst, der aber immerhin bei einigen Versendern bestellbar ist. Die Kilopreise für dieses wirklich hervorragende Stück liegen zwischen etwa 45 und 60 Euro, was für ein vermeintliches Stück Nacken schon recht üppig ist. Wenn Du aber einmal Presa in Belotta-Qualität (reinrassiges Iberico und Eichelmast) probiert hast, wirst Du wissen, warum der Cut sein Geld wert ist, und warum die Spitzengastronomie ihn so schätzt.
Wenn Du dich auf die Suche nach Anbietern von Presa machst, wirst du sehen, dass auch einige heimische Metzgereien das Stück anbieten. Dann nicht vom Iberico, sondern von Landschweinerassen wie dem Bunten Bentheimer oder Schwäbisch Hällischen. Die Preise liegen deutlich unter denen von Iberico. Es ist zwar der gleiche Zuschnitt, aber in der Aromatik deutlich anders. Was allerdings nicht bedeutet, dass der Cut von heimischen Rassen schlecht wäre. Im Gegenteil: Auch hier lohnt sich Zugreifen. Nicht nur, weil der Preis sehr weit unter dem von Iberico liegt, sondern weil es auch hier ein sehr aromatischer Cut bleibt.
Übrigens: Wenn Du es dir zutraust, kannst du sowohl das Presa als auch den Money Muscle selbst aus einem Nacken auslösen; beim Money Muscle ist es fast die einzige Möglichkeit, an diesen Cut zu kommen. Das Auslösen ist nicht so kompliziert, zumal es im Web einige recht gute Video-Anleitungen gibt. Der Versuch lohnt in jedem Fall, weil Du am Ende zwei Cuts hast, die vom Mundgefühl und geschmacklich dem klassischen Nackensteak voraus sind. Das, was vom Nacken dann noch übrig beliebt, bietet sich zum Beispiel an, um Schaschlik daraus zu machen.
Im Video zeigt Dir Andreas wie Du einen Schweinenacken perfekt zerlegen kannst und wo Du Money Muscle und Presa findest: https://www.youtube.com/watch?v=vinl747Eu4o
Einen Money Muscle zu grillen, ist kein besonderes Kunststück. Du kannst ihn wie ein Filet behandeln und kurz auf hohe Hitze legen. Danach lässt Du ihn nachgaren, bis er noch leicht rosa ist, also vielleicht so 62° C Kerntemperatur hat. Wie immer bei solchen Kurzgrill-Stücken funktioniert natürlich die Zubereitung im Sous-Vide-Bad mit anschließendem Rösten.
Etwas anders sieht es beim Presa aus, insbesondere, wenn es von Iberico-Schweinen stammt. Hier ist, wie bei fast allen Iberico-Cuts zum direkten Grillen, das Risiko eines Fettbrandes höher, weil der Fettgehalt so hoch ist. Es ist also sinnvoll, entweder die ganze Zeit beim Grillen mit der Zange in der Hand bereit zum Eingreifen zu sein. Oder aber Du grillst das Stück bei hoher Temperatur indirekt.
Sous-Vide funktioniert ebenfalls, erhöht aber das Fettbrand-Risiko erfahrungsgemäß noch weiter, weil das Stück dann schon mit sehr viel weicherem Fett auf den Rost kommt. Das sieht dann zwar alles spektakulär aus, ist aber gefährlich und nicht unbedingt gesund. Eine Gussplatte statt des Rostes kann ebenfalls funktionieren; bei zu hoher Hitze könnte dann aber auch das Fett auf der Platte entflammen.
Es ist also in jedem Fall etwas mehr Aufmerksamkeit angeraten, als man sie vielleicht bei einem Hüftsteak an den Tag legen würde. Dafür wird man dann aber mit einem genialen Stück belohnt, dass den ja mitunter doch etwas schlechten Ruf des Schweinenackens deutlich aufwertet. Allerdings gehört hier auch zur Wahrheit, dass die Fleischqualität stimmen muss. Denn das eher geschmacklose Schwein aus konventioneller Mast rettet auch das Zerlegen des Nackens nicht; ein gewisser Eigengeschmack sollte schon vorhanden sein. Dann allerdings lohnt es sich, mit Gewürzen eher sparsam umzugehen, um eben diese besondere Aromatik nicht zu zerstören.
Grillen und Fleisch gehört unbedingt zusammen. Ob Rindfleisch, Schweinefleisch, Wild oder Geflügel – so ziemlich jedes Fleisch lässt sich auf dem Grill hervorragend zubereiten.