Wenn Du dich intensiver mit Steaks befasst, wirst du früher oder später über eines der seltsamsten Fleischstücke stolpern, die ein Rind zu bieten hat: den Nierenzapfen. Und was nach Innerei klingt, ist strenggenommen auch eine. Bei diesem merkwürdigen Cut handelt es sich zwar eigentlich um einen Muskel, aber da der keine Verbindung zum Skelett hat, gilt er als Innerei. Wobei auch das nicht ganz richtig ist. Wir klären Dich auf über diesen Cut, der tausend Namen hat.
Wenn Du jetzt komplett verwirrt sein solltest, kommt jetzt die Erklärung. Die Franzosen nennen das Stück Onglet. Onglet kann allerdings auch Falz bedeuten, was ziemlich gut passt. Denn dieser Muskel, von dem wir hier reden, heißt anatomisch korrekt Zwerchfellpfeiler. Es gibt ihn nur einmal. Er bildet praktisch die Aufhängung des Zwerchfells an den Lendenwirbeln, sitzt also zwischen den Nieren auf der Innenseite der Wirbelsäule.
Von dort breitet sich dann das Zwerchfell wie eine Art Hängematte nach vorne aus. Das Onglet gabelt sich also in zwei Teile; durch eine Sehne, eine Art Falz, getrennt. Und weil es dabei sozusagen frei im Tier hängt, trägt es in den USA den Namen Hanging Tender. Wobei sich der zweite Teil auf die Konsistenz bezieht, denn der Nierenzapfen ist ausgesprochen zart.
Weitere Namen für das Stück sind Kronfleisch oder – in Bayern vereinzelt und in Österreich – Herzzapfen. In Italien heißt es Lombatello, und ganz selten findest du es auch als Thick Skirt. Gerade bei Kronfleisch oder Skirt musst Du allerdings beim Kauf achtgeben, weil man unter Kronfleisch auch das Skirt-Steak versteht, weshalb Du auch unbedingt immer von Thick Skirt reden musst, wenn Du Hanging Tender meinst.
Geschmacklich macht der Nierenzapfen seiner Herkunft aus dem „Inneren“ des Rindes alle Ehre. Es gibt wohl kein anderes Stück, das derart intensiv nach Rindfleisch schmeckt. Mitunter gesellt sich auch eine leichte Lebernote dazu, sodass ein Onglet alles hat, aber kein mildes Aroma. Vom Mundegefühl und der Haptik allerdings kann es beinahe mit einem Filet konkurrieren.
Wie schon erwähnt, haben die US-Amerikaner ihm nicht ohne Grund den Namen Tender (zart) verliehen. Trotzdem müssen sich viele wegen der Intensität erst mit diesem Cut anfreunden, was oft genug nicht gelingt. Wem Leber oder kräftiger Wildgeschmack ein Graus sind, der wird in der Regel auch mit dem Onglet nicht warm.
Allerdings findet das Stück auch immer mehr Liebhaber, was leider auch zu immer höheren Preisen führt. Früher war es ein vergleichsweise günstiger Geheimtipp für jemanden, der das besondere Steak-Erlebnis sucht. Inzwischen ist die Nachfrage er deutlich gestiegen, zumal ja hinzukommt, dass es den Cut pro Tier nur ein einziges Mal gibt.
Deshalb musst du jetzt eher mit 50 Euro oder mehr pro Kilogramm rechnen. Außerdem ist das Onglet selten ein Stück, das beim Metzger standardmäßig in der Fleischtheke liegt. Entweder musst du es vorbestellen oder auf einen Versender zurückgreifen.
Die Zubereitung eines Nierenzapfens ist einfach. Allerdings darfst Du beim Öffnen der Packung keinen Schreck bekommen: Der Geruch ist zunächst etwas streng. Das gibt sich allerdings nach kurzer Zeit, wenngleich eine gewisse Intensität einfach bleibt. Das gehört beim Onglet dazu. Du kannst das Stück dann natürlich als Ganzes auf den Rost legen. Aber etwas schöner ist es, die Sehne herauszuparieren, bevor der Cut dann in zwei Teilen auf den Grill kommt.
Gegrillt wir das Onglet ansonsten wie jedes andere Steak. Es ist sehr gut zum Kurzbraten geeignet. Vorwärts, also auf hoher Hitze und dann zum Nachgaren in den indirekten Bereich. Oder rückwärts, also erst indirekt und dann mit richtig Feuer. Das Vorgaren im Sous-Vide-Bad ist natürlich auch möglich. In jedem Fall liegst Du mit einer Kerntemperatur von 57° C nie falsch.
Theoretisch kannst Du das Fleisch auch marinieren. Kurioserweise gibt es kaum Rezepte für außergewöhnliche Würzungen rund um den Nierenzapfen. Dabei würde er sich durchaus wegen seines kräftigen Geschmacks auch intensivere, ergänzende Aromen eignen. Allerdings hat eben auch das ultimative Rindfleischerlebnis seinen Reiz, wahrscheinlich sogar mehr, als irgendeine Kombination mit Paprika oder Tomaten.
Was allerdings hervorragend funktioniert, ist die Verwendung von Gran Padano oder Pecorino anstelle von Salz. Der Hartkäse sollte aber mit einer groben Küchenreibe nach dem Grillen über das tranchierte Fleisch gehobelt werden.
Durch das natürliche Glutamat sorgt der Käse für den zusätzlichen Aromakick. In jedem Fall dürfen aber auch die Beilagen kräftig bis deftig sein, weil sie sonst gegenüber dem Fleisch einfach untergehen. Auch mit Pfeffer brauchst Du nicht sparsam sein. Aufgrund seines starken Eigengeschmacks, verträgt dieser Rindercut kräftige Aromen.
Du merkst, dass das Hanging Tender, das manchmal übrigens auch Hanger Steak genannt wird, nicht nur wegen seines Vorkommens im Tier ein ziemlich einzigartiges Stück ist. Es ist eben auch geschmacklich mit nichts vergleichbar; selbst andere Teile des Zwerchfells – Inside und Outside Skirt – bringen keine solche Aromatik mit.
Dieser Cut hat, so zynisch es klingt, selbst bei einem Jungbullen oder Rindern aus (industrieller) Massentierhaltung Geschmack, wobei hier dann oft die Lebernote überwiegt. Insofern gilt natürlich auch hier, dass Du auf eine vernünftige Fleischqualität achten solltest. Zum einen, weil eben durch mehr intramuskuläres Fett das Rindfleisch geschmacklich deutlich mehr zum Tragen kommt. Und zum andern, weil im besten Fall die Aufzucht tiergerechter war.
Dirk Freyberger, Metzgermeister und Fleischsommelier, erklärt Dir in diesem Video, wie genau Du ein Hanging Tender zerteilst, parierst und zubereitest.
Grillen und Fleisch gehört unbedingt zusammen. Ob Rindfleisch, Schweinefleisch, Wild oder Geflügel – so ziemlich jedes Fleisch lässt sich auf dem Grill hervorragend zubereiten.