Wenn Du zu deinem Metzger gehst und nach Fledermaus fragst, wird er Dich in mit hoher Wahrscheinlichkeit irritiert anschauen. Ist er schlagfertig, kommt als Gegenfrage eventuell, ob wir denn in China seien. Dabei geht es gar nicht um das einzige fliegende Säugetier, sondern um ein Stück Rindfleisch, dass die US-Amerikaner Spidersteak nennen. Beim entsprechenden Pendant vom Schwein hat sich in Deutschland der Name Kachelfleisch durchgesetzt.
Nun klingen weder Fledermaus noch Spinnensteak besonders appetitlich, zumal beide Namen auf dem Aussehen basieren. Viele Stücke wirken in der Silhouette wie eine stilisierte Fledermaus. Und die sich etwas spinnennetzartig verteilenden Fetteinschlüsse haben den Namen Spidersteak hervorgebracht. Entsprechend ist das Stück auch optisch kein Cut für Ästheten, die ein wohlgeformtes und marmoriertes Rib-Eye oder Filetsteak schätzen. Aus genau dem Grund ist es auch in eher wenigen Metzgereien präsent: Es macht in der Auslage nicht nur nichts her, sondern sieht tatsächlich etwas fragwürdig aus. Sogar im Süden der Republik, wo man auch gerne mal Ochsenfetzen grillt.
Dabei sind es nicht die Form und das intramuskuläre Fett allein, die für den optischen Eindruck verantwortlich sind. Oft haben die Stücke auch noch eine Fettauflage. Nicht komplett, aber so im Stil eines Flickenteppichs. Andererseits hast du wahrscheinlich schon mal davon gehört, dass Fett ein Geschmacksträger ist. Dazu gleich mehr, aber bevor wir dazu kommen, warum das Spidersteak trotz aller Vorbehalte ein einzigartiges Highlight ist, erstmal ein paar anatomische Fakten zu dem Cut:
Das Stück sitzt oberhalb des Schlossknochens, gehört also zu dem Muskelapparat, der das Hüftgelenk, die Keule zusammenhält. „Ah, also Hüftsteak“, ist eine gängige Reaktion auf diese Erklärung. Die Antwort ist ein klares Nein, denn die klassische Steakhüfte ist ein komplett anderes Stück. Die Spidersteaks sind ein Cut für sich, von dem es pro Rind nur zwei Stück gibt. Und sie gehören, wie sich aus dem bisher Gesagten gut nachvollziehen lässt, zu den sogenannten „second cuts“. Also zu den Steaks, die nicht wie Filet oder Porterhouse ganz weit oben auf der Liste der begehrten Zuschnitte rangieren.
Nachdem Du nun weißt, wo dieses seltsame Stück herkommt, ist es dringend an der Zeit, die Frage zu beantworten, warum wir diesem offensichtlich hässlichen Cut so viel Aufmerksamkeit schenken. Nun, da wären wir wieder bei der Sache mit dem Fett und dem Geschmacksträger: Spidersteaks zeichnen sich nämlich durch einen kräftigen Geschmack nach Rind aus. Sie sind die aromatischsten Cuts, die es gibt. Dabei ist diese Intensität nicht penetrant, sondern durchaus angenehm. Zumindest, wenn Du gerne Rindfleisch magst, dass einen deutlichen Eigengeschmack besitzt. Wem ein Filet schon fast zu kräftig schmeckt, der lässt vom Fledermaus-Steak besser seine Finger.
Für alle anderen gilt: Noch ausgeprägter schmeckt eigentlich nur noch Hanging Tender. Dabei kannst Du den Spider-Steaks, obwohl sie relativ dünn sind, bei der Zubereitung ruhig etwas Hitze verpassen. Gegrillt werden sie aber direkt. Das Fleisch ist am Ende erstaunlich zart, obwohl man meinen sollte, dass es aus einem beanspruchten Teil der Muskulatur kommt. Aber es hat eben kurze Fasern. Das, was an Fett nicht abläuft, bleibt dabei angenehm fest und ist nicht mit dem vergleichbar, was man womöglich von Beef-Ribs kennt.
Aber es ergibt durchaus Sinn, wenn Du ein Spidersteak auf einer Gussplatte grillst; ansonsten ist Fettbrand vorprogrammiert. Das kann man sich nicht zuletzt auch aus gesundheitlichen Aspekten heraus durchaus ersparen. Die Kerntemperatur ist mit 55° – 57°C ideal. Allerdings verträgt es auch, well done gegart zu werden, ohne gleich zur Schuhsohle zu werden.
Auf eine Marinade oder intensives Würzen kannst Du wegen des tollen Eigengeschmacks bei dem Cut gut verzichten. Andererseits lädt das intensive Aroma zu Experimenten ein, weil der Fleischgeschmack so dominierend erhalten bleibt. Bulgogi etwa wird mit Fledermaus zu einem ganz neuen Erlebnis. Natürlich spricht auch nichts dagegen, mit den Stücken das zu machen, was gemeinhin mit ihnen passiert: Sie also durch den Wolf drehen. Mit ihrem schönen Fettgehalt ergibt sich daraus wunderbares Hackfleisch für Burger. Je nach Bezugsquelle liegt man damit preislich noch nicht einmal weit über dem Preis von 08/15-Hack, bekommt aber am Ende eine viel bessere Qualität.
Das liegt nicht zuletzt daran, dass in der Massenverarbeitung von zum Beispiel Jungbullenfleisch Fledermaus selten als separater Zuschnitt für den heimischen Verkauf bereitgestellt wird. Im Umkehrschluss kommt das Gros der Spidersteaks aus der Verarbeitung für das gehobene Preissegment, in dem Anbieter nicht selten das Nose-to-Tail-Prinzip versuchen umzusetzen. Weil die Fledermaus aber eben so schlecht für den Massenmarkt taugt und aktuell einfach kein wirklicher Selbstläufer ist, sind selbst bei Wagyu die Preise niedrig. Allgemein kannst du, je nach Herkunft und Verarbeitungsweg, zwischen etwa sieben und 20 Euro pro Kilogramm rechnen. Extrem attraktiv für ein so aromatisches Stück! Selbst, wenn dann daraus nur ein Burger werden soll. Denn der wird ziemlich sicher richtig gut.
Der Nachteil ist aber eben, dass die Beschaffung nicht unbedingt einfach ist. Wie bei so vielen second cuts lässt sich nur so viel pauschal sagen: Die Wahrscheinlichkeit, Spidersteaks dauerhaft in den Kühltheken der Discounter zu finden sind, ist recht gering. Aber es kann durchaus sein, dass Supermärkte, die ihre Fleischtheke regional und individuell bestücken, Zugriff auf den Cut haben. Auch beim Metzger sollte man zumindest erwarten, dass er eine Bezugsquelle für Spidersteaks hat. In jedem Fall ist es aber sinnvoll, das im Vorfeld abzuklären und nicht erst Samstagmittag einen Einkaufsversuch zu starten, wenn Du abends grillen willst.
Planst Du mit genug Vorlauf, hast Du dann immer noch die Chance, auf einen Versender zurückzugreifen, wenn es bei dir vor Ort mit der Beschaffung nicht klappt. Dazu noch ein Tipp: Hinsichtlich der zu kaufenden Menge solltest Du noch eine Sache wissen: Die Stück bringen bis etwa 200 g auf die Waage, weshalb Du für gute Esser besser zwei kalkulierst. Denn erfahrungsgemäß greift immer wieder zu, wer einmal mit Spidersteakls angefixt wurde. Und wenn Du doch zu viel besorgt hast, ist das kein Problem: Fledermaus lässt sich sehr gut einfrieren. Zumindest die Steak-Variante
Grillen und Fleisch gehört unbedingt zusammen. Ob Rindfleisch, Schweinefleisch, Wild oder Geflügel – so ziemlich jedes Fleisch lässt sich auf dem Grill hervorragend zubereiten.