Denver ist die Hauptstadt des US-Bundesstaates Colorado und der Künstlername eines ebenfalls zu Lebzeiten in Colorado beheimateten Country-Sängers. Dessen legendäres „Take me home, country roads“ gehört wahrscheinlich zum Bekanntesten, was einem hierzulande zum Begriff „Denver“ einfällt. Wenn Du ein Kind der 80er oder älter bist, dann kommt dir womöglich auch noch der Denver-Clan in den Sinn, aber der Denver Cut?
Es ist wahrlich keine Schande, dieses Stück nicht zu kennen. Denn zumindest in der westlichen Welt gehört dieser Steakzuschnitt vom Rind zu den sehr jungen Teilstücken. Und sein Name hat auch keine wirklich historische Bedeutung. Dazu gleich mehr. Zudem hat dieses Stück gleich noch mehrere andere Namen, die aber weit weniger griffig sind. Zabuton heißt der Zuschnitt in der japanischen Interpretation, mitunter wird er hier auch als Teppanyaki-Cut bezeichnet. Dabei handelt es sich dann aber fast immer um Wagyu-Fleisch.
Stammt das extrem marmorierte Steak vom Black Angus, ist es in den USA auch als „underblade steak“ bekannt. Underblade deshalb, weil es unter dem Schulterblatt sitzt. Das Stück, aus dem der Denver Cut kommt, heißt Chuck Eye Roll und ist grob gesagt der Übergang von den Rib Eyes zum Nacken. In dieser Chuck Eye Roll wiederum sitz ein recht wenig belasteter, aber – je nach Rasse – eben stark marmorierter Muskel, der in Steaks geschnitten den Denver Cut ergibt. Das Stück als Ganzes ist vergleichbar mit dem, was die Spanier bei den Iberico-Schweinen als Herz des Nackens (Presa) bezeichnen. In den USA heißt es allerdings Chuck Flap Edge.
Die Erklärung für den Namen Denver Cut ist ebenso unspektakulär wie typisch für unsere Zeit. In den USA gibt es ein so genanntes Beef Board (beefboard.org). Das ist letztliche eine Plattform, die darauf zielt, den Konsum und Verkauf von Rindfleisch anzukurbeln. Zum Beefboard gehört ein „Check off program“, mit dem Marktforschung betrieben wird. Und hier ist die Marktanalyse schlichtweg zu dem Ergebnis gekommen, dass „Denver Cut“ deutlich besser klingt als Zabuton oder Underblade Steak. Der Schnitt hat also wahrscheinlich etwa so viel mit Denver zu tun wie ein bekannter Autohersteller mit Schifffahrt, der früher seine Modelle unter anderem nach seemännischen Dienstgraden wie Kadett, Kapitän oder Admiral benannte. Allerdings liest man vereinzelt auch die Geschichte, dass ein Metzger aus Denver als Erster einen Rindernacken so zerlegt habe.
Wenn Du denkst, dass ein Denver Steak aufgrund seiner Marmorierung einen recht intensiven Eigengeschmack hat, liegst Du richtig. Es ist hocharomatisch, zumal der ausgemachte Fettanteil eben auch nur bei einer auf hohe Fleischqualität zielenden Haltung zu erreichen ist. Trotzdem wird in den USA oft empfohlen, das Steak einige Stunden lang zu marinieren. Zumindest dann, wenn es nicht vom Wagyu kommt. Zwar ist das Steak auch von anderen Rindern nicht unbedingt zäh, aber zumindest bissfester, als Du es bei dem Fettanteil erwarten würdest. Dabei kommen für den Schnitt auch abseits von Wagyu nur Rassen in Frage, die zu kräftiger Fettbildungen neigen, (Black) Angus zum Beispiel.
Tatsächlich stellt sich das Problem vor allem für die, die schon mal Wagyu gegessen haben, weil deren Zabuton eben wirklich sehr buttrig und zart ist, was mit der besonderen Beschaffenheit des Fleisches und des Fettes zusammenhängt. Daher dient das Marinieren auch nicht in erster Linie dazu, den Geschmack zu beeinflussen, sondern dem Zartmachen.
Dazu werden die Marinaden mit so genannten Tenderizern versetzt. Das sind, auch wenn es sehr nach Chemie klingt, in der Regel natürliche Enzyme, die Du zum Beispiel in Ananas, Kiwi oder Papaya findest. Weil aber die Früchte eben auch immer eine gewisse Süße mitbringen, wird gerade in den USA sehr häufig auch Baking Soda zum Zartmachen benutzt. Bei uns ist das besser bekannt als Natron. Ob Du das verwendest oder nicht ist Geschmackssache. Den Denver Cut grillen kannst Du wie jedes andere Steak. Wobei es hier sinnvoll ist, bei der Kerntemperatur nicht über 54, 55°C hinauszugehen. Der Gargrad ist mit medium rare sehr gut.
Bevor Du darüber nachdenken kannst, einen Denver Cut zu marinieren und zu grillen, musst Du erstmal ein solches Steak finden. Und das ist allen US-Marketingbemühungen zum Trotz in Deutschland noch ein kleines Kunststück. Selbst einige Versender, die sonst eine Menge außergewöhnlicher Zuschnitte anbieten können, haben diese Steaks nicht im Sortiment, wobei die Suche nach Chuck Flap Edge hier unter Umständen weiterhelfen kann.
So oder so: Anders als viele andere der „Cuts aus der zweiten Riehe“ (second cuts) ist das Denver Steak noch nicht einmal günstig. Mit Kilopreis von knapp 60 Euro musst Du hier bei Fleisch vom Angus Durchaus rechnen. Da ist übrigens kein „Exklusivitätsaufschlag“ bei, denn auch in den USA sind Kilopreise von 50 Dollar bei guten Qualitäten üblich.
Recht zuverlässig bekommt man das Ganze allerdings bei den diversen Wagyu-Direktvermarktern, oft als Teppanyaki Cut. Dann aber eben auch zu Wagyu-typischen Preisen, also deutlich über 100 Euro pro Kilogramm. Allerdings wird es in der japanischen Zubereitungsvariante auch in sehr dünnen Scheiben nur kurz auf dem Teppanyaki angeröstet. Man benötigt also hier nicht zwingend 300 Gramm Steak pro Person. Natürlich kannst Du dünne Scheiben aus dem Denver Steak vom Angus schneiden, aber das ist sicherlich nicht ganz das Gleiche wie beim Wagyu. Unbestritten ist aber, dass du mit diesem Cut immer ein wirklich wertiges Stück Fleisch auf dem Teller hast. Denn vom Jungbullen lässt es sich kaum in vernünftiger Qualität schneiden. Allerdings wäre dieser Zuschnitt als Massenware in Deutschland auch kaum tauglich, weil er einfach viel zu fett ist.
Grillen und Fleisch gehört unbedingt zusammen. Ob Rindfleisch, Schweinefleisch, Wild oder Geflügel – so ziemlich jedes Fleisch lässt sich auf dem Grill hervorragend zubereiten.