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Tranchiert (6): Die Frau, der Arsch, das Handwerk

Wenn das Handwerk passt

Die Süffa in Stuttgart ist in Deutschland die größte Fachmesse für das Fleischerhandwerk. Im Oktober wird sie wieder stattfinden. Wie alle zwei Jahre. Es sei denn die IFFA in Frankfurt, das ist die größte Fachmesse für die Fleischindustrie, kommt ihr in die Quere. Die findet nämlich alle drei Jahre statt. Nach Adam Ries (nein, der hieß nicht Riese) kommt es dann alle sechs Jahre zu einer Überschneidung. Da nicht beide Messen in einem Jahr stattfinden, muss in so einem Überschneidungsjahr das Fleischerhandwerk passen. Wie zu jeder großen Messe, gibt es auch im Vorfeld der Süffa jede Menge Pressemeldungen. Dies findet statt, jenes findet statt, die machen dies und der hat das gewonnen. Hat man alle Pressemeldungen gelesen, braucht man fast nicht mehr hingehen. Es sei denn, man will sich nach dreißig Jahren Investitionsstau mal nen neuen Kutter kaufen. Oder ist auf der Suche nach möglichen Effizienzsteigerungen. Wie das geht, lernt man vor allen Dingen von der Industrie. Und die trifft man auf einen Plausch im Süffadorf.

Das idyllische Süffadorf

Die Süffa schafft es seit Jahren, sich immer wieder neu zu erfinden. An Innovationen und Neuerungen mangelt es wahrlich nicht. Ob die Richtung dabei immer so richtig ist, ist fraglich. 2011 begann man damit, die Messe nicht allein auf das Handwerk auszurichten, sondern ebenso auf die mittelständische Industrie. Und natürlich hat man auch einen Platz geschaffen für Begegnungen: das Süffadorf. Biergarten und Ideenmarktplatz zugleich. Hier trifft sich das Handwerk mit der Industrie und dem Handel. Die Großen mit den Kleinen. Hier bändelt man an, erfährt, dass der Zukauf von Waren für ein Fleischerfachgeschäft eine lohnende Sache sein kann, dass sich die Handwerksprodukte auch gut in den Supermärkten verkaufen lassen, und dass man doch nur miteinander stark sein kann. Hier zeigt der Haifisch seine Zähne noch nicht. Und erst später lernt der Metzger, dass er eben doch nicht so wasserdicht ist, wie man es ihm gerne nachsagt. Die Süffa ist wie jede Messe eine Verkaufsshow. Doch verkauft wird hier vor allen Dingen eines: das Handwerk.

Der Tag der Metzgerfrauen

Etwas anderes ist inzwischen auch dabei sich zu etablieren: Der „Tag der Metzgerfrauen“. Den gibt es seit 2014. Nun könnte man ja fragen: Was bitte sind Metzgerfrauen? Es gibt offiziell keine derartige Berufsbezeichnung. In Analogie dazu kursiert übrigens auch der Begriff Meisterfrauen. In dem einen wie dem anderen Fall definiert man die Rolle der Frau über die Tätigkeit des Mannes. Die Pressemeldung zum „Tag der Metzgerfrauen“ trägt übrigens den Titel „Frauen schmeißen den Laden“. Im Text zu lesen: „Die Rolle der Frau im Fleischerhandwerk hat sich gründlich gewandelt: Frauen sind nicht mehr „nur“ Fleischerei-Fachverkäuferin oder „die Frau des Chefs“, sie sind Metzgermeisterin, Unternehmenscoach und Verkaufsmanagerin, nicht selten alles in einer Person.“ Gewandelt hat sich die Rolle also? Seit wann bitte? Die Frauen haben schon immer den Laden geschmissen. Das waren schon immer Führungskräfte mit dem Gehalt einer Fleischerfachverkäuferin (wenn überhaupt), angestellt (wenn überhaupt) bei ihrem Ehemann, dem Metzger, dem Meister.

Ich bin hier die Chefin!

Zu lesen ist auch der Satz „Frauen sind aus der Branche nicht mehr wegzudenken“. Wer bitte schreibt so einen Satz? Ist es allein Blödheit oder die Offenbarung, dass man scheinbar bisher genau das getan hat: Die Frauen weggedacht? Denn da waren sie ja schon immer. Den ersten internationalen Frauentag beging man in Deutschland übrigens im Jahre 1911. Gleichberechtigung und Emanzipation der Arbeiterinnen waren zentrale Themen. Wie schön, wenn sich das ehrbare deutsche Handwerk mehr als hundert Jahre später auch bewegt. Beim ersten „Tag der Metzgerfrauen“ 2014 stand ich übrigens als Referentin auf der Bühne. Der Titel meines Vortrages lautete „Ich bin hier die Chefin!“. Ich wurde nie wieder eingeladen.

Zweites Standbein Barbecue

Doch bevor ich hier zur Alice Schwarzer des Fleischerhandwerks mutiere: In diesem Jahr gibt es wieder etwas Neues auf der Süffa. Das Thema Barbecue ist angekommen. Man möchte fast jubeln. Doch halt: Das Thema Barbecue wird offiziell deklariert als der „Umsatzbringer für Ihren Partyservice“ und als „zweites Standbein“. Zweites Standbein ist übrigens seit den 70er Jahren Dauerbrenner im Fleischerhandwerk. Man kann die vielen zweiten Standbeine schon gar nicht mehr zählen: Partyservice, Mittagstisch, Feinkost, Catering, Imbiss, Außer-Haus-Service, Festbewirtung, heiße Theke, Snackanbieter, Verkaufsautomaten, Filialisierung und weiß der Kuckuck, was so manch einem da noch einfiel als „Umsatzbringer“. Ergebnis dieses Eiertanzes auf zig Standbeinen waren über Jahre sinkende Umsatzrenditen und die Erkenntnis, dass der Arbeitstag im Fleischerhandwerk auch nur 24 Stunden hat. Die Erkenntnis, dass Standsicherheit auf so vielen Beinen nur schwer zu erlangen ist, lässt auf sich warten. Stattdessen: neues Standbein Barbecue.

Grüße an den Postillon

Und an dieser Stelle muss ich tief durchatmen bevor ich weiterschreibe, sonst artet es aus. Es ist ja schon reif für den Postillon, das Unternehmensberater im Fleischerhandwerk heutzutage damit Geld verdienen, dass sie den Metzgern erzählen, sie müssen wieder Fleisch verkaufen. Aber es ist bittere Realität. Und wenn man jetzt versucht, das Thema Barbecue als Umsatzbringer und zweites Standbein zu verkaufen, dann möchte man selbst als Ungläubiger wieder in die Kirche rennen und den lieben Herrgott um Erbarmen anflehen. Wer sich mit dem Gedanken an ein Umsatzplus ans Thema Barbecue wagt, hat schon verloren. Wie sagte eine Metzgermeisterin unlängst so treffend? „Wer mit Flank Steaks reich wird, wird nie wieder arm.“ Besser kann man die Unmöglichkeit nicht ausdrücken. Barbecue ist eine Lebenseinstellung. Es gibt nur eine Rolle, die der Metzger dabei spielen kann: die des Metzger des Vertrauens (MdV), des Experten für bestes Fleisch. Barbecue holt jeden Metzger bei seiner Kernkompetenz ab. Doch den Titel „Metzger des Vertrauens“ muss man sich in der BBQ-Szene hart erarbeiten. Da reicht kein Dry Aged und auch kein Gewinke mit einem Tomahawk. Die meisten BBQer haben mehr Fachwissen über Fleisch als so manch ein Metzgermeister. Und sie fordern von ihrem MdV vor allen Dingen eines: Transparenz. Barbecue funktioniert nicht als zweites Standbein, nicht als Umsatzbringer (dazu taugt die Fleischwurst nach wie vor besser) und schon gar nicht als Anhängsel im Partyservice. Barbecue ist Fleischerhandwerk pur!

Die Metzgerfrauen im Mittelpunkt

Und das Foto? Das Foto ist offizielles Pressefoto. Hing an der Pressemeldung „Frauen schmeißen den Laden“. Auch auf der Süffa-Webseite wird es mit treffender Überschrift verwendet. Da steht sie also, die Metzgerfrau im Mittelpunkt des Fleischerhandwerks.

Gehet hin! Ich tue es nicht.

Die Süffa findet übrigens vom 21. – 23. Oktober 2017 auf dem Stuttgarter Messegelände statt. Gehet hin. Ich tue es nicht. Ich gehe beten.

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