Natürlich ist diese Überschrift irreführend. Mitnichten schwöre ich nun dem Grillen ab. Ihr dürft mich auch weiterhin zum Grillen einladen. Aber diese Verwirrung trifft mich nun fast täglich in meinem Newsticker. Darin habe ich Nachrichten zum Thema „Grillen“ abonniert. Und schon seit Monaten werde ich mich Nachrichten über dieses Insektenfood bombadiert. Die ersten Supermärkte haben das Krabbelzeugs in den Regalen, die ersten Restaurants bieten Speisen aus Krabbelzeugs an, sie werden als Snacks und Burger angeboten, sie sind voll mit Eiweiß und wasweißich. Ich will das nicht. Ich will die Bilder nicht in meinem Kopf, ich will diese Nachrichten nicht, ich will dieses Krabbelzeugs nicht. Und was ich schon gar nicht will: Dieses Krabbelzeugs essen!
Ich habe mein etymologisches Wörterbuch bemüht, um zu schauen, ob diese beiden Wörter „der Grill“ und „die Grille“ einen gleichen Ursprung haben. Tatsächlich haben sie aber nichts miteinander zu tun. „Grill“ hat seine Ursprünge im Französischen. Das französische grille bedeutet so viel wie Rost. Grille hingegen ist das viel ältere Wort, stammt aus dem Althochdeutschen und hat wohl lautmalerischen Ursprung. Neben dem Krabbelvieh ist mit Grille aber auch noch etwas anderes bezeichnet. Eine Grille ist auch eine Laune, ein verrückter Einfall. „Eine Grille im Kopf haben“ ist ein Ausspruch, der dem Volksaberglauben entsprungen ist, denn man glaubte damals wohl, dass Grillen einem ins Gehirn kriechen. Na, danke.
Nennt mich ignorant oder sonst was. Ich kann noch nicht einmal Euer geliebtes Dschungelcamp gucken. Nicht nur, weil mir geballte menschliche Dummheit körperliche Pein beschert, wobei ich die Tatsache, dass es Menschen gibt, die die Dummheit anderer zur Schau stellen, nicht weniger schmerzhaft empfinde, sondern auch und zuvorderst, weil mich das dermaßen anekelt. Was mich diese Sendung allerdings lehrt: Es gibt ganz offenbar Menschen, die juckt das nicht, die haben diese Ekelschranke nicht, die kennen das Gefühl nicht, wenn sich in ihrem Inneren Urgewalten auftun, wenn in ihren Blutbahnen plötzlich spitze Eiswürfel umhertanzen und jede Bewegung mit einem schmerzhaften Kälteschauer begleiten, wenn der Würgereflex unablässig „Ich muss mich gleich übergeben!“ ankündigt, wenn der Körper mit all ihm zur Verfügung stehenden Reaktionsmöglichkeiten ganz laut Nein schreit. Ich kenne das. Und ich meide zwangsläufig Situationen, die mich genau in diesen Zustand versetzen. Schon der Gedanke an das Essen von Insekten bringt mich in eine solche Situation.
Nun weiß ich, dass Ekel nicht angeboren ist, dass der erlernt wird. Ich kann mit Sicherheit behaupten, dass ich mich vor vielem, wovor sich andere ekeln, nicht ekle. Als Metzgerstochter, die mit dem täglichen Anblick eines Schlachthauses aufgewachsen ist, erregt nichts, was in einem solchen Schlachthaus passiert, in mir irgendeinen Ekel. Ich fange auch nicht hysterisch an zu schreien, wenn ich Mäuse sehe. Das sind in meinen Augen ganz possierliche Tierchen. Selbst Ratten lassen mich nicht schaudern. Ich lauf auf nicht weg, wenn mir in meinem Haus eine Spinne begegnet. Ich kann die Achtbeiner mit ausreichend Schutzmontur (Raumfahrtanzug und Flasche Haarspray. Fragt nicht!) sicher nach draußen geleiten. Aber wo und wann sich in meiner Sozialisation der Ekel gegen das Essen von Insekten eingenistet hat – keine Ahnung. Zumal ich mich auch nicht daran erinnern kann, dass das je Thema gewesen wäre. Gangs, die das Essen von Regenwürmern als Aufnahmeprüfung zelebrierten, gab es bei uns nicht.
Als an Ernähungsfragen interessierte Journalistin bin ich mir bewusst, dass mich dieses Wir-essen-jetzt-Insekten-Thema in den nächsten Jahren weiterhin begleiten wird. Ich kann zwar den Newsticker abstellen, aber ich kann meine Augen nicht gänzlich verschließen. Ich werd mich diesem Thema stellen müssen. Ob ich will oder nicht. Ich will nicht. Jetzt nicht.
Ich bin ganz sicher eine von denen, die bis zuletzt schreibt: Geh mir weg mit dem Krabbelzeugs! Ich bin mir aber durchaus auch bewusst, dass es in wenigen Jahren ganz normal sein wird, dass Essen aus Krabbelzeugs in Supermärkten und Restaurants angeboten wird. Und ich bin mir auch bewusst, dass immer mehr von Euch dieses Zeugs essen werden. Ich werde also eine Selbstbeobachtung starten. Ne, ne, kein Selbstversuch. Da bin ich noch lange nicht. Selbstbeobachtung! Ich werde jedes Jahr aufs Neue meine Einstellung zu dem Thema hinterfragen. Einmal im Jahr! An dieser Stelle! Das könnte dann so aussehen:
Edit Februar 2020: Geht mir weg mit dem Krabbelzeugs!
Edit Februar 2021: Geht mir weg mit dem Krabbelzeugs!
Edit Februar 2030: Ersten Krabbelzeugs-Burger gegessen. Ohne es zu wissen. Aaaaahhh…